„Naja, das kann man ja gerade so essen. Sag mal, verdienst du eigentlich so wenig, Neffe, dass ihr euch nicht mal Salz leisten könnt?“, schnauzt der Onkel nach dem Mittagessen. Die Stimmung ist bei minus zehn Grad eingefroren. So ist er, der Onkel: griesgrämig, gebieterisch und starrköpfig. Die Atmosphäre ist jeweils schon eine Woche früher frostig, wenn er sich angekündigt hat.
Warum kommt er eigentlich immer noch? Warum sagt nie jemand zu ihm: „Weißt du was? Dieses Jahr lieber nicht.“ Erstaunlicherweise sind die Argumente gegen das Nein stark: Die Verwandtschaft, die Familientradition, das in Aussicht stehende Erbe, er ist doch jedes Jahr gekommen, wir haben ja nur den einen Onkel.
Das Problem ist, dass er der Familie nicht guttut, wenn er da ist. Die ständige schlechte Stimmung schlägt nicht nur auf das Gemüt, sie macht förmlich krank, weil der Rest der Familie seinen Frust immer runterschluckt und innerlich brodelt. Und jede Feier, die er vermiest, ist vertane Zeit – wovon ohnehin alle zu wenig haben. Das grausame Spiel muss also ein Ende haben. Jemand muss mit dem Onkel sprechen.
Eene, meene, miste …
Darauf hat natürlich keiner so richtig Lust. Es ist klar, dass es Ärger geben wird bei diesem Gespräch. Das ist unangenehm und nicht gerade motivierend. Um sich die unliebsame Aufgabe zu erleichtern, ist es sinnvoll, sich vorzubereiten. Denn wer seinen Standpunkt kennt, kann klarer argumentieren und schneller und besser entscheiden, was zu tun ist.
Vielleicht geht es bei Ihnen nicht um den Onkel, sondern um eine andere Person, und vielleicht geht es für Sie nicht um eine private Beziehung, sondern um eine geschäftliche. Die Fragen, die Ihnen bei der Vorbereitung helfen, sind jedoch meistens dieselben.
Fragen Sie sich, was Sie gewinnen und was Sie verlieren. Schauen Sie in die Zukunft und fragen Sie sich, was das mit Ihrem Leben macht, wenn der Tunichtgut weiterhin kommt oder wenn sein Besuch ausbleibt. Wie wertvoll ist diese Beziehung, wenn sie so unangenehm ist? Wie wichtig ist die Tradition, wenn sie die Familie in Mitleidenschaft zieht, statt ihr zu nutzen und sie zu stärken?
Wenn Sie sich schon vor dem Gespräch aufgrund dieser Fragen zwei Alternativen zurechtgelegt haben, denen Sie während des Gesprächs folgen können, werden Sie auch gegen den jähzornigen Onkel gewappnet sein. Legen Sie vorher fest, was Sie bereit sind, zuzulassen, und was nicht. Welche Bedingungen muss der Onkel akzeptieren, damit er weiterhin zu Besuch kommen darf? Und wie viel nehmen Sie hin, bevor Sie die Reißleine ziehen und ihm sagen, dass er fernbleiben muss?
Ausstieg aus dem Spiel
Mit dieser Vorbereitung als Basis können Sie nun in das entscheidende Gespräch gehen. Egal, wie er sich verhält, sie haben eine Lösung zur Hand, mit der Sie leben und Ihre Ruhe wiederherstellen können. Aus dieser starken Position können Sie nun, wenn Sie möchten, einen Schritt auf ihn zugehen.
Fragen Sie ihn doch einfach mal, warum oder wozu er sich so respektlos verhält. Vielleicht finden Sie etwas über ihn heraus, was Ihnen sein Verhalten verständlicher macht und die Möglichkeit gibt, besser auf ihn einzugehen. Eventuell wird so eine Lösung möglich, die beiden Seiten guttut und die vorher nicht sichtbar oder denkbar war.
Und falls der Onkel uneinsichtig bleibt, setzen Sie sich und Ihre Gesundheit an erste Stelle: Entscheiden Sie sich für das klare „Nein“. Das können Sie dann mit gutem Gewissen tun, denn Sie haben alles getan, was zur Rettung der Beziehung möglich war.
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